Von Thorsten Stark
Wie definieren Sie Integration?
»Integration bedeutet für mich, dass Menschen sich einer Gemeinschaft zugehörig fühlen und von der Gesellschaft als zugehörig akzeptiert werden, indem ein gemeinsames Verständnis davon entwickelt wird, wie wir in unserer Gesellschaft zusammenleben möchten.«
Ist Integration eine Bringleistung? Oder muss auch was angeboten werden? Wenn ja, was jeweils?
»Integration ist ein gemeinsamer Prozess, der nur gelingen kann, wenn die aufnehmende Gesellschaft und Einwanderer Integrationswillen haben und in diesem Sinn auch fruchtbar zusammenwirken. Initiative ist dabei von beiden Seiten gefordert.«
Was gehört dazu, was nicht?
»Bei der dringend erforderlichen Arbeitskräfteeinwanderung müssen bürokratische Hindernisse abgebaut und digitale niederschwellige Angebote aufgebaut werden, damit Deutschland überhaupt attraktiv für Fachkräfte wird. Dazu gehört auch eine unterstützende Aufnahme durch Unternehmen und Zivilgesellschaft. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine dauerhafte Bleibeperspektive bestehen in Deutschland durchaus.
Sowohl Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine als auch Asylbewerber müssen deutlich schneller in Arbeit und Ausbildung gebracht werden. Gerade die Berufs- und Arbeitswelt ist ein Katalysator für Integration. Es ist besser, bei einer geringer qualifizierten Tätigkeit eigenverantwortlich Sprache und Alltag zu lernen, als monate- und jahrelang auf einen Sprachkurs zu warten und von Sozialleistungen leben zu müssen. Wer sich mit unserer demokratischen Werteordnung identifiziert und selbst für seinen Lebensunterhalt sorgt, muss auch die Perspektive zur Integration erhalten.
Auf der anderen Seite müssen wir einer sich zunehmend radikalisierenden Ablehnung unserer Werteordnung durch nicht Integrationswillige ins Auge schauen. Diese bedroht auch die Akzeptanz der großen Mehrheit an gut integrierten Menschen mit Migrationshintergrund. Es reicht dabei auch nicht, denen die z.B. ein Kalifat in Deutschland fordern, zuzurufen, sie könnten ja in ein islamistisches Land ausreisen. Wer unsere demokratische Grundordnung ablehnt, steht für Desintegration und dessen Aufenthalt muss schnellstmöglich beendet werden. Hier muss für Politik und Behörden die Zeit der bloßen Ankündigungen vorbei sein!«
Wie integriert man Kinder aus (muslimischen) Familien, deren Eltern völlig andere Wertvorstellungen haben als wir?
»Unserer demokratischen Grundordnung widersprechende Wertvorstellungen sind natürlich das größte Integrationshemmnis.
Das beste Mittel dagegen ist ein gutes, umfassendes und alle erreichendes Bildungssystem. Es soll Kindern und Jugendlichen das Gefühl der Zugehörigkeit und Chancengleichheit vermitteln und insbesondere durch Ethik- und Religionsunterricht dazu befähigen, mit der Vielfalt an Perspektiven, Positionen und Lebensformen in unserer Gesellschaft reflektiert und tolerant umzugehen. Andererseits soll es ihnen die Möglichkeit geben, sich eigener religiöser und kultureller Wurzeln zu vergewissern. Dies erfordert eine passgenaue, individuelle Förderung durch ein differenziertes Schulsystem.
Zugleich gilt es aber, von Anfang an klarzumachen, dass abgeschottete und unsere Werte ablehnende Parallelstrukturen bei uns nicht geduldet werden.«
Bitte nennen Sie doch zwei oder drei konkrete Beispiele, was Sie unter guter Integration verstehen.
»Gute Integration findet überall dort statt, wo das gute Miteinander zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Voraussetzung sind der Erwerb der deutschen Sprache sowie die Identifikation mit unserer Rechtsordnung und Kultur einerseits und die Anerkennung eigenständiger kultureller Identität auf der anderen Seite. Ich sehe immer wieder, dass das insbesondere dort überall gelingt, wo Menschen in Ehrenamt und Freizeitgestaltung zusammenfinden – von der Feuerwehr über Musik und Kultur bis zum Sportverein.
Ein herausragendes Beispiel dafür, was unser Gemeinwesen an Integrationsleistung bewältigt, ist aber auch die Tatsache, dass wir in Bayern nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine innerhalb weniger Monate über 30.000 ukrainische Kinder ohne Murren und Verwerfungen ins bayerische Schulsystem integriert haben. Dafür gebührt der gesamten Schulfamilie vom Kultusministerium über die Lehrkräfte bis zu den Elternbeiräten ein großer Dank!«
Was ist die größte Herausforderung bei der Integration?
»Ich sehe neben der oben genannten Ablehnung unserer Werteordnung durch radikale Randgruppen die größte Herausforderung in der Bewältigung der Zuwanderung im Bereich Asyl. Hier stellt uns schon die Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber vor große Probleme. Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland knapp 330.000 Erstanträge auf Asyl gestellt. Die Hauptlast liegt hier bei den Kommunen, die dringend mehr Unterstützung benötigen. Denn ihnen kommt eine Schlüsselrolle bei der Integration von Migranten zu. Dies betrifft etwa die Bereitstellung zusätzlicher Unterkünfte und ausreichender finanzieller Mittel durch den Bund.«